Die Streuobstwiese – traditionsreiches Kulturerbe
Es ist gerade mal 1 ½ Jahre her, als die Streuobstwiese als Immaterielles Kulturerbe anerkannt wurde. Verdient hat sie schon lange, ist sie doch ein Hotspot der Artenvieltfalt.
Ein guter Ansporn für den SV Fellbach und den NABU Fellbach sich dem Thema im Rahmen der Serie „Walk & Talk“ zu widmen. Vor allem wenn man einen exzellenter Referenten nicht lang suchen muss.
So kamen 17 Teilnehmer bei herrlichem Spätsommerwetter am 16.10.22 in den Genuss einer hochinteressanten und praxisnahen Präsentation. Und wer konnte besser vortragen als Jürgen Walser, seines Zeichens 1. Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins Oeffingen (OGV). Seine frische Art und natürlich die profunden Kenntnisse rund um die Streuobstwiesen machten den sonntäglichen Ausflug zu einem Vergnügen. Nach einer kurzen Einführung mit erstaunlich viel Wissenswertem ging es auch schon los, quer durch alte Streuobstbestände rund um Oeffingen.
Früher war der Obstanbau wichtig zur Versorgung der Bevölkerung. Besonders in den Jahren 1930 – 1955 erlebte die Streuobstwiese eine Blütezeit. Gab es damals noch 1 ½ Mio. ha, so schrumpfte die Fläche auf mittlerweile nur noch 300.000 ha in ganz Deutschland. Besonders im Süden der Republik war die Streuobstwiese nicht nur landschaftsprägend, sondern wertvoller Nahrungslieferant, so Jürgen Walser.
Und schon ging es sehr anschaulich an die Merkmale einer Streuobstwiese. Staunend erfuhr die Gruppe viel Wissenswertes über die Wurzelunterlage, die Veredelungstechniken, Lebensbedingungen, Widerstandsfähigkeit und natürlich die Pflege der wertvollen Bäume. Besonders ein regelmäßiger, fachmännischer Obstbaumschnitt führt zu den gewünschten Erträgen. Wussten Sie, dass ein hiesiger Streuobstbaum 100 – 120 Jahre alt werden kann und bereits ab dem siebten Jahr schöne Früchte liefert? Auch kommen Streuobstbäume mit dem immer trockener werdenden Klima deutlich besser zurecht, als hochgezüchtete Obstbäume aus Massenanbau.
Damit stellt sich auch schon die Frage, wie das traditionsreiche Kulturerbe in unserer Landschaft erhalten werden kann. Und hier kommt der Punkt, wo sich der Oeffinger Obst- und Gartenbauverein besondere Verdienste erworben hat. Und sehr erfolgreich dazu!
Um dies in der Praxis anschaulich zu sehen, steuerte die interessierte Gruppe eine Obstbaumwiese auf der Oeffinger Hart an. Praktisch die Schulwiese des Vereins. Diese wurde vor rund einem Jahr angelegt und ist mustergültig. Hier können kleine und große Obstbaueleven erste Erfahrungen sammeln. Völlig zwanglos, dafür mit viel fachmännischer Unterstützung. Starten wollte der Verein im Frühjahr 2022 mit 15 Neupflanzungen. Doch gerade bei jungen Familien sprang sehr schnell der Begeisterungsfunke über. Und so blickt man bereits nach so kurzer Zeit auf 55 junge Bäumchen.
Insgesamt neun Baumwarte sind beim OGV tätig, jeder mit viel Verstand und auch Herzblut. So werden absolute Neulinge genauso gut umsorgt, wie Menschen, die „schon mal irgendwann was mit Obstbäumen zu tun hatten“. Jeder ist willkommen, auch wenn es nur für kurze Zeit ist. Zieht nämlich ein Obstbaumpate weg in eine andere Stadt, so wird „sein Baum“ einfach weitergegeben. Nachhaltigkeit pur. Und gut für unsere Kulturlandschaft.
Und, so verrät Jürgen Walser, jeder kann mitmachen. Auch ohne Vereinsmitglied zu werden. Für gerade mal 15,- € Jahresbeitrag ist jedoch auch dies möglich. Wichtig ist, dass man ein wenig Begeisterung für das Handwerk mitbringt. Alles andere kann man lernen. Und das dies gelingt, daran lässt Walser keinen Zweifel. Alles, was es braucht, um ein junges Bäumchen zu veredeln und zu pflegen , bekommt man gratis beim OGV, Gratis? Ja richtig gelesen, gratis. Denn nicht wenige Sponsoren haben längst den Wert der überaus segensreichen Arbeit des OGV erkannt. Und sie steuern gern etwas für dieses großartige Projekt bei. Auch die Stadt Fellbach, hier vor allem die Stadtwerke, leisten einen wertvollen Beitrag in Form einer Wasserstelle.
Genau wie die jährlichen Schnittkurse. Diese lohnen allemal den überschaubaren Obulus. Denn der Gewinn ist um ein Vielfaches größer als die einzelne Investition.